Sie kennen das Bild: In der Bahn, im Restaurant, am See – alle immer mit dem Handy in der Hand. OK, nicht alle, aber viele. Wie wenn wir nicht mehr allein, getrennt sein könnten, nicht mehr warten könnten, sondern uns andauernd der Gegenwart eines andern versichern müssten oder seines Einverständnisses. Oder des Verbundenseins mit der Welt: Aktienkurse, Prominentengezwitscher, Nachrichten. Das Handy wird zur Nabelschnur, beileibe nicht nur zwischen Mutter und Kind, sondern auch zwischen Erwachsenen. Na und?, könnte man sagen – schadet ja niemandem. Doch, würde ich entgegnen: Gefährdet die Autonomie der Beteiligten, verringert ihre Frustrationstoleranz und die Freiheit ihrer Gedanken, füllt jede drohende oder lockende Lücke, hält unbequeme Einfälle im Schach, schmälert die Bandbreite dessen, was den Weg ins Bewusstsein findet. Ähnlich wie Computer- und Handyspiele, Rauchen, Smalltalk, Blättern in Illustrierten: Formen des Zeit-Totschlagens. Bloss: Was genau soll da totgeschlagen werden?
Andersherum gedacht: Wer ist der andere in genau dem Moment, in dem man ihn anruft oder seinen Anruf, seine Mitteilung entgegennimmt? Was würde in uns passieren, wenn wir dann nicht anriefen, nicht zurückschrieben? Ich vermute, es geht um Momente der Leere: Da ist eine Pause, nichts Dringendes, vielleicht ist man zufrieden, etwas erledigt zu haben, oder zögert vor dem nächsten Schritt, fühlt sich ein bisschen unsicher, orientierungslos, und der Gedanke an ein kurzes Telephongespräch oder einen getippten Austausch hat etwas Stärkendes.
Die Tatsache, dass jemand sich unsicher fühlt, hat etwas Schönes, verweist darauf, dass er oder sie offen ist für innere und äussere Unwägbarkeiten. Schade ist es aber, diese Unsicherheit nicht zu ertragen, sondern sie dadurch zu lindern oder zu beseitigen, dass man sich auf jemand andern abstützt. Schade, aber durchaus nachvollziehbar: Wenn man sein Leben einigermassen oder gut bewältigt in Beziehungen und im Beruf, wenn man als Paar und mit Vertrauten zusammenlebt, gewinnt man an Stabilität und Gelassenheit, stützt sich gegenseitig bei all den Schwierigkeiten des Lebens. Es besteht aber die Gefahr, dass man sich zu sehr aneinander anpasst, Unterschiede vermeidet und zusehends weniger der und die ist, die man eigentlich ist. Da wären Momente der Leere und des Eigensinns äusserst belebend. Egoismus? Nein: Ich sein. Oder wieder Ich werden, neben aller Anpassung.
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