Intimleben

Susann Ziegler, lic. phil.

eidg. anerkannte Psychotherapeutin

susann.ziegler@bluewin.ch

Mein Mann und ich sind beide 53 Jahre alt, seit bald 30 Jahren verheiratet und haben 2 erwachsene Kinder. Unsere Ehe und unser Familienleben würde ich als gut bezeichnen, wenn nur das Intimleben anders wäre: Seit Jahren verweigere ich meinem Mann den sexuellen Kontakt. Es ist für mich eine Art Blockade. Ich liebe ihn, lasse ihn aber nicht an mich herankommen, obwohl er sehr gerne mit mir zusammen sein möchte und zudem sehr einfühlsam ist. Ich kann aber gegen meine Blockade nichts tun.

 

Vielleicht doch! Der letzte Satz steht im Widerspruch dazu, dass Sie fragen: Sie haben mit diesem Brief bereits etwas Entscheidendes getan, indem Sie Ihrem Schwanken zwischen Hoffnung und Resignation eine Richtung gegeben haben. Sexualität ist ein Thema, das man nicht gerne mit fremden Leuten bespricht; das Intimleben ist eben wirklich intim und sollte entsprechend geschützt werden. Dennoch lohnt es sich, Sorgen auf diesem Gebiet zu bereinigen. Es gibt kaum eine andere menschliche Ausdrucksform, in der physisches und psychisches Erleben so dicht verknüpft sind wie in der Sexualität. Hier kommen Feinheiten des Seelischen zum Ausdruck, die sich zwar der Machbarkeit entziehen, deswegen aber doch weder unveränderlich sind noch zur Resignation verleiten müssen.

Ihre Haltung „ich kann nichts tun“ kommt vielleicht daher, dass Sie offenbar schon seit Jahren mit dieser immer mehr oder weniger vorhandenen Unzufriedenheit leben und sich auch damit eingerichtet haben. Deshalb ist es wichtig, Hilfe bei einer Fachperson zu holen – das vermindert die Gefahr, wieder in den alten Trott zurückzufallen. Ich möchte hier stichwortartig ein paar Fragen und Themen erwähnen, die eine Fachperson mit Ihnen zusammen im Zweier- und danach vielleicht im Dreiergespräch wohl erörtern würde:

Einstimmung: Die Pflege einer sexuellen Beziehung braucht Zeit und Aufwand. Manchmal muss man eine emotionale Stimmung schaffen. Was bringt Sie in Stimmung? Wie sind Sie enttäuschbar?

Humor: Getrauen Sie sich, über sexuelle Vorgänge und Handlungen auch zu schmunzeln? Sind Sie manchmal spielerisch, oder wünschen Sie es sich vom Partner?

Bedürfnisse und Erwartungen: Was für ein Intimleben stellen Sie sich vor? Welche Bedürfnisse haben Sie, was haben sie schon mal ausgesprochen? Und warum nicht? Wie weit decken sich Bedürfnisse und Vorstellungen? Haben Sie auch eine „perverse“ Seite?

Erfahrungen: Wie haben Sie Ihre Einstellung zur Sexualität gewonnen? Wie und wodurch hat sie sich verändert? 

Empfindungen: Was bedeutet Ihnen Ihr Körper? Schauen Sie sich gerne an? Geniessen Sie ihre eigenen Berührungen? Welche Gefühle treten auf, wenn Sie Nähe und Zärtlichkeit zulassen? Welche Empfindungen hatten Sie früher, am Anfang Ihrer Partnerschaft, mit Ihrem Mann?

Verweigerung: Wie ist in Ihrer Beziehung die Macht verteilt? Verweigerung ist eine passive Form von Macht. Können Sie damit eine bestimmte Position aufrecht halten, ein Gleichgewicht herstellen? Könnte das Wort Blockade für eine Form von Verweigerung stehen, für die Sie nicht die Verantwortung übernehmen mögen, sondern die einem "passiert" und wofür man nicht belangt werden kann?

Auseinandersetzung: Wie äussern Sie bei anderen Themen Unwillen, Ärger, Wut? Wie führen Sie Streit, und wie kommt es jeweils wieder zur Versöhnung? Oft besteht die Meinung, gute Sexualität könne nur bei grosser Harmonie zwischen Partnern entstehen. Zu viel Harmonie kann aber auch erstickend wirken.

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