Neurodiversität bezeichnet die Tatsache, dass menschliche Gehirne von Natur aus unterschiedlich funktionieren und jeder Mensch ein individuell einzigartig funktionierendes Gehirn hat. Das führt dazu, dass jeder Mensch von Anfang an grundsätzlich eine eigene Art der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, Gedächtnisaktivität, Emotionsregulierung, Sprache, Verhaltensplanung und Motorik hat. Auf dem weiteren Lebensweg entwickeln sich diese Funktionen zudem individuell aufgrund der jeweiligen Biografie, Lebensumstände, Erkrankungen und weiteren Faktoren.
Der Neurodiversität gegenüber abzugrenzen ist die Neurodivergenz. Damit sind diejenigen Formen von Neurodiversität gemeint, die so deutlich ausgeprägt sind, dass sie innerhalb der
Gesellschaft als «nicht normentsprechend» bis hin zu «krankheitswertig», d.h. «einer Diagnose bedürfend» wahrgenommen werden. Ein Leidensdruck aufgrund von Orientierungsschwierigkeiten in der
Gesellschaft kann sich derweil auch innerlich abspielen, von aussen aber kaum bemerkt werden.
Neurodivergenz kann sich auf verschiedene Arten zeigen. Typische Anzeichen sind:
Manche neurodivergenten Menschen passen sich unter enormer Anstrengung den gesellschaftlichen Erwartungen an. Innerlich wird dabei jedoch eine sensorische und emotionale Überforderung erlebt. Das
Spektrum von Neurodivergenzen umfasst Erscheinungsformen, die keinen diagnostischen Wert haben, wie z.B. Hochsensibilität oder Hochbegabung, bis hin zu solchen Formen, welche
die Kriterien für eine Diagnose erfüllen, wie die Autismus-Spektrum-Störung (ASS), die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine Mischform von ASS und ADHS
(AuDHS), die Lese-Rechtschreib-Störung (Dyslexie), die Rechenstörung (Dyskalkulie), die motorische Koordinationsstörung (Dyspraxie), die bipolare
Störungen oder Psychosen.
Bei Menschen mit einer zugrundeliegenden Neurodivergenz ist das Risiko für die Entwicklung akuter psychischer Störungen wie Depressionen, Ängste oder Zwänge erhöht. Neurodivergenz ist in den
letzten Jahren in den (sozialen) Medien zu einem sehr präsenten Thema geworden. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent der Weltbevölkerung sind neurodivergent veranlagt.
Seit den 1990er Jahren besteht eine soziale und politische Bewegung, deren zentrales Thema die Entmarginalisierung und Entpathologisierung von Neurodivergenz ist. Das Anliegen der Bewegung ist, das Wissen um und die Akzeptanz für neurologische Unterschiede zu fördern. Dadurch wird das herkömmliche, medizinische Modell, in dem Neurodivergenz als behandlungsbedürftiges Defizit definiert wird, in Frage gestellt. Stattdessen soll der Blickwinkel auf die fehlende Passung zwischen dem neurodivergenten Funktionieren und den Normvorgaben der Gesellschaft verschoben werden und dadurch auch den Blick auf Ressourcen und spezielle Fähigkeiten frei machen. Gesellschaftliche Normen sollen hinterfragt und Barrieren für neurodivergente Personen abgebaut werden, um ihnen mehr Inklusion und Wohlbefinden zu ermöglichen bzw. Ableismus (d.h. Ungleichbehandlung / Diskriminierung aufgrund einer besonderen Veranlagung) vorzubeugen. Die Neurodiversitätsbewegung setzt sich zudem für Forschung zu Neurodiversität und einen neutralen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Neurodivergenz ein. Übergeordnetes Ziel der Bewegung ist, ein Verständnis von Neurodiversität als wichtige und wertvolle Bereicherung der Gesellschaft zu schaffen.
Christina Brenneisen, Dipl.-Psych.
eidg. anerkannte Psychotherapeutin
Psychotherapeutin VPB
Maria Dickson, Dr. phil.
eidg. anerkannte Psychotherapeutin
Psychotherapeutin VPB
Unser Netzwerk setzt sich dafür ein, das Thema Neurodivergenz unter Fachpersonen in der Region Basel bekannter zu machen. Unseren Berufskolleg:innen stehen wir zur Seite bei Fragen zum Umgang mit
Neurodivergenz in der psychotherapeutischen Praxis sowie bei persönlicher Betroffenheit (bzw. entsprechender Vermutung). Unser Netzwerk möchte für die besonderen Bedürfnisse neurodivergenter
Menschen in der Psychotherapie sensibilisieren und ihnen den Zugang zu neurodivergenz-informierten Fachpersonen erleichtern. Wir sammeln Informationen zu Neurodivergenz und stellen diese zur
Verfügung. Für unseren Berufsverband der Psychotherapeut:innen VPB organisieren wir Veranstaltungen zum Thema Neurodivergenz. Überdies setzen wir uns dafür ein, dass insbesondere die
Autismus-Spektrum-Störung (ASS) in den psychotherapeutischen Weiterbildungsangeboten in unserer Region vermehrt thematisiert wird.
Um einen Beitrag an die Inklusion zu leisten, stehen wir zur Verfügung, Informationen zu Neurodivergenz aus der Sicht von Fachpersonen auf der regionalen politischen und institutionellen Ebene
einzubringen. Dazu veranlasst uns zum Beispiel die Feststellung, dass es an neurodivergenzfreundlichen stationären Behandlungsmöglichkeiten fehlt. Unser Aktivitätsradius bezieht sich auf
diejenigen Erscheinungsformen von Neurodivergenz, die üblicherweise in der psychotherapeutischen Praxis anzutreffen sind. Konkret betrifft dies Hochsensibilität, ASS und AD(H)S. Bei
behandlungsspezifischen Fragen zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verweisen wir zudem auf unsere Kolleg:innen vom VPB-Netzwerk AD(H)S.
In der psychotherapeutischen Praxis nehmen die Anfragen für eine AD(H)S- oder ASS-Diagnostik bei Erwachsenen zu. Oftmals steht das Anliegen eines besseren Verständnisses über sich selbst, eine
Erleichterung der Kommunikation beispielsweise gegenüber dem persönlichen Umfeld oder den Arbeitgebenden oder die Benennung und Begründung psychischer Schwierigkeiten gegenüber Versicherungen
dahinter. Liegt Interesse an einer Diagnostik vor, bietet es sich an, zunächst eine psychologische oder psychiatrische Fachperson aufzusuchen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen und eine
Anamneseerhebung durchzuführen. Danach kommen ggf. Screeningverfahren (Fragebögen) zum Einsatz und es wird eine Verdachtsdiagnose formuliert. Falls benötigt, erfolgt daraufhin eine ausführliche
Diagnostik bei geschulten psychologischen oder psychiatrischen Fachpersonen oder an einer spezialisierten Abklärungsstelle.
Bei Kindern können ab dem Alter von anderthalb Jahren Verdachtsdiagnosen für Autismus geäussert werden. Liegt eine ASS-Diagnose bis zum Alter von drei bis vier Jahren vor, kann je nach Befund und
Lebenssituation eine Intensivtherapie eingeleitet werden. Die Diagnostik wird in spezialisierten kinder- und jugendpsychologischen und -psychiatrischen Praxen, bei gewissen Kinderarztpraxen mit
Entwicklungspädiatrie wie auch an spezialisierten Fachzentren und Kliniken durchgeführt. Wird eine Diagnose bis zum Alter von 20 Jahren gestellt, unterstützt die IV medizinische Massnahmen,
richtet bei Bedarf eine Hilflosenentschädigung aus und leitet, wenn von Eltern angemeldet, ab dem Alter von ca. 14 Jahren berufliche Integrationsmassnahmen ein.
Im Erwachsenen- wie im Kinder- und Jugendbereich bestehen momentan leider lange Wartezeiten für eine diagnostische Abklärung.
Die Ziele einer Psychotherapie bei Neurodivergenz sind individuell. Typische therapeutische Schwerpunkte bei Erwachsenen sind:
Verschiedene therapeutische Ansätze können dabei hilfreich sein, solange sie im Hinblick auf eine vorliegende Neurodivergenz angepasst werden. Achtsamkeit ist ein häufig verwendeter
Therapiebestandteil. Nicht nur der Therapieinhalt, sondern auch das Therapiesetting sollten auf Neurodivergenz angepasst sein, z.B. durch einen reizarmen Therapieraum, die Einhaltung von
Vereinbarungen (z.B. Zeitdauer einer Therapiesitzung) oder die Möglichkeit zur schriftlichen Kommunikation.
Bei Kindern stehen als Therapieziele das Diagnoseverständnis, Kommunikation über die Diagnose, Komorbiditäten (z.B. Depressionen, Ängste oder Mutismus), Alltagsplanung, soziale Fähigkeiten oder
Förderung von Selbstvertrauen im Vordergrund. Intensivtherapien für autistische Kinder werden von der IV und dem Kanton mitfinanziert und finden an spezialisierten Fachzentren (Region Basel: AZ /
GSR) oder Kliniken statt. Bei älteren Kindern bestehen verschiedene Therapiemöglichkeiten. Oftmals wird eine Ergotherapie verordnet, in welcher praktische Fähigkeiten u.a. zur Alltagsplanung,
sensorischer Integration und Orientierung gefördert werden. Dabei besteht eine hohe Überlappung der therapeutischen Inhalte mit ADHS-Therapien. Weitere Angebote für autistische Kinder und
Jugendliche umfassen tiergestützte Therapie, Gruppentherapie oder Freizeitgruppen.
Die UPK bieten umfassende Unterstützung für Erwachsene mit Autismus-Spektrum-Störungen. Sie führen ausführliche Abklärungen durch und bieten verschiedene Therapieoptionen an.
Die Fachstelle Autismus der UPK bietet spezifische Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Sie führt Diagnosen durch und bietet angepasste Therapien an.
Die PBL bietet spezialisierte ambulante Behandlungen für Erwachsene mit psychotischen Störungen und Differentialdiagnosen. Sie bietet interdisziplinäre Therapieansätze an.
Die PBL bietet spezifische Therapieformen und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Autismus. Sie arbeitet eng mit Familien und Schulen zusammen.
Das Autismuszentrum des Zentrums für Gehör, Sprache und Kommunikation (GSR) bietet spezialisierte Dienstleistungen für Menschen mit Autismus: therapeutische Angebote, Schulungen und individuelle Beratungen.
Die Frühintervention bei autistischen Störungen (FIAS) bietet Unterstützung für Menschen mit Autismus in verschiedenen Lebensbereichen. Sie hat Programme für Betroffene und deren Angehörige.
Compas ist eine Organisation, die sich auf die Unterstützung von Menschen mit Autismus spezialisiert hat. Sie bietet verschiedene Hilfsangebote und Beratungen an.
Dieser Verband setzt sich für die Interessen von Menschen mit Autismus ein. Er bietet Informationen zu Selbsthilfegruppen und Veranstaltungen an.
Die Fachstelle Autismus der UPK bietet spezifische Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Sie führt Diagnosen durch und bietet angepasste Therapien an.
Der PDA Autismus Verein setzt sich für Menschen mit Pathological Demand Avoidance ein. Er bietet Informationen und Unterstützung für Betroffene und Angehörige.
Autismus Deutschland ist der Förderverband für die Belange von Menschen mit Autismus in Deutschland. Er bietet Informationen über Selbsthilfegruppen und aktuelle Themen rund um Autismus.
Neurodivers DACH setzt sich als Verband für die Anerkennung und Unterstützung neurodivergenter Menschen ein. Er bietet Informationen und Ressourcen für Betroffene im deutschsprachigen Raum.
Das Netzwerk Hochsensibilität bietet Informationen und Unterstützung für hochsensible Menschen. Es fördert den Austausch und die Vernetzung Betroffener.
Die Uniklinik Freiburg informiert über Autismus und seine Behandlungsmöglichkeiten. Sie bieten Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte.
Diese Plattform bietet verschiedene Perspektiven auf das Leben mit Autismusspektrum-Störungen. Sie enthält Ressourcen für Betroffene und aktuelle Themen.
Diese Website widmet sich dem Thema Hochsensibilität. Sie bietet Informationen und Unterstützung für hochsensible Menschen.
Hier finden sich wissenschaftliche Erkenntnisse über Sensitivität und Hochsensibilität. Die Seite richtet sich an Fachleute und interessierte Betroffene.
Dieses Video der ETH Zürich erklärt das Konzept der Neurodiversität. Es beleuchtet verschiedene neurodivergente Bedingungen aus wissenschaftlicher Perspektive.
Neurodiversität und Autismus im Fokus
Dieses YouTube-Video behandelt die Themen Neurodiversität und Autismus. Es bietet Einblicke in die Erfahrungen neurodivergenter Menschen.
Yannis - Autist und hochbegabt
Diese Dokumentation zeigt das Leben des hochbegabten Jungen Yannis mit Autismus. Sie thematisiert seine Herausforderungen und Erfolge im Alltag.
Autismus-Spektrum – Wie lebt man in einer Welt, die nicht für einen gemacht ist?
Diese SRF-Sendung untersucht, wie Menschen mit Autismus in einer Welt zurechtkommen, die nicht für sie gemacht ist. Sie bietet Einblicke in den Alltag Betroffener.
Autismus bei Frauen – Spät erkannt, lange gelitten
Diese Sendung beleuchtet die Erfahrungen von Frauen mit Autismus. Sie thematisiert die oft späte Diagnose und deren Auswirkungen.
Autismus bei Erwachsenen – Woran Betroffene in der Arbeitswelt leiden
Diese Reportage untersucht, wie Erwachsene mit Autismus in der Arbeitswelt zurechtkommen. Sie zeigt persönliche Geschichten und gibt Integrationstipps.
Diese Podcast-Episode beleuchtet das Thema Autismus aus wissenschaftlicher Perspektive. Experten diskutieren emotionale Aspekte des Lebens mit Autismus.
Wie Psychologe mit Asperger anderen Menschen mit Autismus hilft
In diesem Podcast erzählt ein Psychologe mit Autismus von seinen Erfahrungen. Er gibt Einblicke in seine Arbeit mit anderen Autisten.
The Neurodivergent Woman Podcast
Dieser Podcast fokussiert sich auf die Erfahrungen neurodivergenter Frauen. Er bietet Einblicke, Tipps und Diskussionen zu verschiedenen Aspekten des neurodivergenten Lebens.
Im Detail – der Autismuspodcast
Dieser Podcast behandelt verschiedene Aspekte des Lebens mit Autismus. Er bietet detaillierte Einblicke und Diskussionen zu autismusspezifischen Themen.
Neurodivergenz – Zwischen Trend und Reform der Psychologie
Der Artikel diskutiert Neurodivergenz als aktuellen Trend in der Psychologie. Er beleuchtet verschiedene Perspektiven auf neurodivergente Zustände.
Dieser Artikel untersucht aktuelle Trends in der Diagnostik von ADHD und Autismus. Er diskutiert die steigenden Diagnoseraten und deren mögliche Ursachen.
Fritz & Fränzi – Dossier Autismus
Fritz & Fränzi bietet ein umfassendes Dossier zum Thema Autismus. Es enthält wissenschaftliche Artikel, Erfahrungsberichte und Hilfsangebote für Betroffene.