Terror. Und ich?

Jörg Hirsch, lic. phil.

eidg. anerkannter Psychotherapeut

joerg.hirsch@bluewin.ch

Ich bin völlig verunsichert durch die Terrorschlagzeilen der letzten Monate. Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen kann. Mein Mann versucht mich zu beruhigen, aber das hilft mir nicht.

 

Ganz viele Menschen fühlen sich verunsichert. Und das ist wohl genau das, was die Terroristen wollen. Ihre Frage spricht mich auf verschiedenen Ebenen an: Ich höre zum einen die Bedrohung, dann Ihre Reaktion darauf: als äusseres und inneres Verhalten. Und dann passiert auch noch etwas zwischen Ihnen und Ihrem Mann.

Was geschieht in uns, wenn wir dem Terror gegenüberstehen? Zuerst wird wohl Betroffenheit und Fassungslosigkeit als Reaktion spürbar. Das Bewusstsein, dass es nicht bei uns vor der Tür passiert ist, hilft ein wenig, doch schon morgen könnte es auch hier sein. Dann kommt ohnmächtige Wut auf, die in der Folge zu Phantasien führt, in denen wir mächtig statt ohnmächtig sind, die Aggression mit Gegenaggression beantworten. So ist man siegreich, ein Held, zumindest in der Phantasie. Wenn man dieses Muster in sich erkennt, hat man die Wahl, sich damit zu identifizieren oder aber nicht. In letzterem Fall bricht man, vielleicht beschämt, den Tagtraum ab und kehrt wieder zur Betroffenheit zurück. Dann taucht Mitgefühl mit den Opfern auf, erschütternde Szenen können vor dem geistigen Auge entstehen, man versucht sich hineinzufühlen. Aber wie unterscheide ich in mir Mitleid von Mitgefühl? Mitleiden macht es nicht besser, aus dem Mitgefühl heraus kann man handeln, in Wort und Tat.

Was aber tun mit der Angst? Man kann unterscheiden zwischen der Angst vor einer im Moment bestehenden Gefahr und jener, die entsteht, wenn man sich nur vorstellt, was passieren könnte. Letztere zählt wohl eher zu der Angst, die erwartete oder eingebildete Szenarien behandelt, als ob sie jetzt und real wären. Da hilft es, zu dem zurückzukehren, was jetzt ist, sich wirklich im Jetzt zu spüren, seinen Atem, den Körper. Es gilt, Achtsamkeit in und mit  der Gegenwart zu entwickeln, auch wenn man gleich danach wieder von alten Gedankenmustern herausgefordert wird, zurück ins Gestern und Übermorgen. Es ist ein Ringen um die Gegenwart. Die Verunsicherung erzeugt Phantasien, die Angst auslösen, und sie verlangt inneres Gewahrsein und die Bereitschaft, sich auf den inneren Prozess einzulassen. Die andere, die gegenwartsbezogene Angst, kann zur Achtsamkeit und in der Folge zu Bewältigungsstrategien führen. Bei einer tatsächlichen Gefahr sind es die gegebenen Möglichkeiten, die die Handlung bestimmen, sofern man nicht den Kopf verliert.

Nun noch ein Wort zur Reaktion Ihres Partners. Könnte es sein, dass Ihr Mann gute Argumente anführte, warum die tatsächliche Gefahr nicht vorhanden oder gering ist? Und dass Sie sich eher gewünscht hätten, dass er Sie nicht beschwichtigt, sondern Sie in Ihrer Not sieht und ernstnimmt, vielleicht sogar seine eigene zeigt? Dann würde ich Ihnen beiden empfehlen, sich gemeinsam hinzusetzen und sich der jeweils anderen Sichtweise zu öffnen, er so, dass Sie sich in Ihren Gefühlen gesehen und verstanden fühlen, Sie so, dass Sie bereit sind, seinen Argumenten zu folgen. Novalis, ein romantischer Dichter des ausgehenden 18. Jahrhunderts, drückte es so aus: „Was der Frauen Natur, ist des Mannes Kunst. Was des Mannes Natur, ist der Frauen Kunst.“ Vielleicht gibt es ja tatsächlich unterschiedliche Arten, wie die Geschlechter dasselbe Problem angehen. Manchmal können wir voneinander lernen, wenn wir bereit sind, dem anderen zuzuhören.

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