Unser Sohn ist 48, hat eine Zerebral-Lähmung und dazu vor etwa 5 Jahren noch eine Neurodermitis bekommen. Offenbar ist dagegen kein Kraut gewachsen. Da er sehr unselbständig ist, wird es äusserst schwierig, mit dieser Krankheit einen Wohnplatz zu finden. Wir haben gehört, dass Stress dabei eine Rolle spielen soll, und denken darum, es sollte doch Möglichkeiten geben, seinen psychischen Zustand zu verbessern. Wir haben ihn schon in verschiedenen Heimen gehabt, aber dann hat er immer Probleme bekommen, und sein Gesundheitszustand hat sich verschlechtert. Er ist sehr musikalisch, und eine Zeitlang hatten wir mit Musiktherapie gute Erfolge.
Ihr Sohn befindet sich, wie Sie schreiben, in einer auf verschiedenen Ebenen schwierigen Lebenssituation, auf die wir PsychotherapeutInnen nur teilweise Antworten geben können. Nach Rücksprache mit einem Arzt kann ich aber Folgendes sagen:
Neurodermitis ist eine psychosomatische Erkrankung, wie zum Beispiel auch Asthma oder Morbus Crohn. Sie zeigt sich in einer körperlich fassbaren Entzündung; psychische Belastungen können diese Symptome verstärken. Eine Neurodermitis muss primär von einem Dermatologen behandelt werden; am wichtigsten sind eine korrekte Pflege mit Cremes und die richtige Behandlung allfälliger Hautinfektionen. Es ist auch nötig, die krankheitsauslösenden Faktoren gut zu erforschen (Allergene und Nahrungsmittel), damit sie möglichst vermieden werden können. Gute Erfolge haben oft klimatherapeutische Behandlungen, z.B. ein mehrwöchige Aufenthalt im Hochgebirge oder am Meer. Auch die Komplementär-Medizin kann helfen, wie sie zum Beispiel anthroposophisch orientierte Kliniken anbieten.
Mit Psychotherapie kann eine Neurodermitis nicht geheilt werden (ebenso wenig wie Asthma und Morbus Crohn). Da jedoch Stress, Unwohlsein oder Misserfolge die Krankheit aufrechterhalten oder verschlimmern können, ist es sinnvoll, darauf zu achten, dass es Ihrem Sohn im Alltag möglichst wohl ist. Wenn also Musiktherapie eine gute Wirkung gezeigt hat, ist es gut, diese wieder aufzunehmen. Vielleicht nützt auch eine medizinische Hypnose oder achtsamkeitsbasierte Entspannung. Am wichtigsten ist es wohl, dass es ihm bei Ihnen oder in einem Heim gut geht.
Dass das Heimpersonal manchmal überfordert ist, ist angesichts seiner Aufgaben nicht erstaunlich; ebenso, dass nicht jede Heimleitung mit ihrer Aufgabe zurechtkommt. Trotzdem können Sie Ihren Sohn nicht auf Dauer allein betreuen und brauchen wieder eine Institution. Wahrscheinlich müssen Sie sich letztlich mit einem Heim zufriedengeben, das nicht alle Ihre Anforderungen erfüllt – dass Ihr Sohn Sie vermisst und deshalb zeitweise unzufrieden ist, ist sowieso anzunehmen. Für den Fall, dass Sie wieder mit einem Heim Probleme bekommen, organisieren Sie am besten schon im Voraus jemanden, der als Vermittler zu Gesprächen mitkommt.
Wahrscheinlich das Schwierigste: Sie haben sich sein ganzes Leben lang um Ihren Sohn gekümmert, viele belastende Momente überstanden und auf viel Eigenes verzichtet. Und Sie machen sich Sorgen, wie es mit ihm weitergeht, wenn Sie älter werden. Gut möglich, dass Sie darum besonders hohe Erwartungen an ein Heim stellen und rasch enttäuscht sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht nur ihn, sondern auch sich selber sehr ernstnehmen können in Ihrem Wohlbefinden. Die Stiftung Mosaik in Pratteln kann Sie dabei beraten; und wenn Sie für sich begleitende therapeutische Gespräche in Anspruch nehmen, hat er auch etwas davon.
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