Die ewigen Kurzbeziehungen, oder: Alle Lust will Ewigkeit

Jörg Hirsch, lic. phil.

eidg. anerkannter Psychotherapeut

joerg.hirsch@bluewin.ch

Es gibt Menschen, die immer wieder aus Beziehungen aussteigen, kaum dass sich Nähe entwickelt, obwohl sie eigentlich eine tiefe Beziehung wollen. Was passiert da eigentlich?

 

In einer Liebesbeziehung geht es um Nähe. Sie braucht Vertrauen und Hingabe. Inwieweit wir zu solchen Gefühlen fähig sind, ist ein Ergebnis unserer bisherigen, zum Teil sehr frühen Erfahrungen. Jeder Mensch wird mit der Fähigkeit zur Liebe geboren; ohne sie wäre er nicht lebensfähig. Ob diese Liebe ihren Ausdruck finden kann, ist abhängig von der Beziehung, die die Eltern zum Kind aufbauen. Wenn das Kind in einer vertrauensvollen, liebenden und so für das Kind nährenden Umgebung aufwächst, entwickelt sich Urvertrauen, welches als Vorlage für spätere Beziehungserfahrungen dient. Wenn diese erste Bindung aber konflikthaft ist und das Nähe-Bedürfnis des Kindes immer wieder enttäuscht wird, erlebt es Bindungsnähe als gefährlich und zu Enttäuschung und Leid führend. Das wird dann zum Grundmuster, denn alle weiteren Beziehungen folgen den Erfahrungen der frühen und dann auch späteren Beziehung zu den Eltern und Geschwistern.

In der Phase der Verliebtheit erscheint das Gegenüber als der oder die Beste und Schönste. Anders gesagt: Wenn wir verliebt sind, neigen wir dazu, das Gegenüber zu idealisieren. Doch Menschen sind nicht ideal – und so wird man zwangsläufig enttäuscht. Im Rausch des Verliebtseins wird eine sich vertiefende Nähe spürbar, die unbewusst mit frühen negativen Erfahrungen in Verbindung gebracht wird. Diese Enttäuschung steht dann der Entwicklung von Liebe entgegen. In der Folge sucht man nach guten Gründen, die Beziehung aufzugeben, zum Beispiel, indem man das Gegenüber abwertet.

 So versteckt man vor sich selbst die eigene Unsicherheit, die aus den frühen Beziehungserfahrungen entstanden ist: die Angst vor der Nähe, aus der heraus man nur wieder dieselben Erfahrungen erwartet, wie man sie als Kind wieder und wieder gemacht hat. Aber dieses Gefühl zeigt sich nicht bewusst, sondern nur kaschiert im mehr oder weniger rationalisierten Verhalten dem Partner gegenüber. Und dann „arrangiert“ man den Abbruch, sei es, dass man es klar ausdrückt, sei es, dass man sich dem Partner gegenüber so verhält, dass er irgendwann genervt das Handtuch wirft.

 

Und wie kann man aus diesem Kreislauf herauskommen?

  • Man könnte das Gespräch mit dem Partner suchen und seine eigene Disposition ansprechen: seine Ängste, Befürchtungen, Enttäuschungen, und sich so den sehr frühen Affekten annähern, sie freilegen und bewusstmachen. 
  • Man könnte verhaltenstherapeutisch das problematische Verhalten und die dahinterliegenden Vermeidungsstrategien verändern.
  • Man könnte tiefenpsychologisch die Hintergründe aufdecken, um sich selber besser verstehen zu lernen. 

Welchen Weg ich auch immer wähle, er wird von mir verlangen, sich mir selbst zu stellen. Das ist unangenehm und nicht einfach. Doch es lohnt sich!

 

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